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Von Amok bis Zöbern

Im Mai 1997 erschoss der damals 15-jährige Helmut Z. in der Hauptschule Zöbern eine Lehrerin und verletzte eine weitere schwer. Jetzt lebt er wieder in Zöbern und erzählt seine Lebensgeschichte. Porträt eines Amokschützen.

Text & Fotografie: Elisabeth Gamperl, Thomas Trescher
Helmut Z. sitzt auf einem Fahrrad und tritt in die Pedale, so kräftig es geht, er muss hier weg. Irgendetwas ist passiert vor ein paar Minuten. Was genau, das weiß er nicht. Aber es war nichts Gutes, denn Helmut Z. weiß, dass er sich jetzt verstecken muss. Schüsse sind gefallen und Blut ist geflossen; viele Schüsse und viel Blut. Hinten auf dem Gepäckträger flattert ein Plastiksackerl im Fahrtwind, es ist gefüllt mit Munition. Und am Rücken hat er einen Revolver in der Hose stecken, so wie man das aus amerikanischen Gangsterfilmen kennt. Hinter ihm taucht ein Auto auf; als es den auf dem Rad strampelnden 15-Jährigen erreicht, wird es langsamer. Es ist Helmuts Nachbar und Großcousin Johann K., aus dem fahrenden Auto ruft er ihm zu; überredet ihn, stehen zu bleiben. Er kann Helmut überzeugen, zu ihm ins Auto zu steigen, die Waffe in den Kofferraum zu werfen und der Polizei entgegenzufahren, die bereits nach ihm fahndet. „Was hab’ ich gemacht?“, fragt der Schüler seinen Nachbarn. „Ich weiß nur, dass ich einen Scheiß gebaut hab’.“

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Am 5. Mai 1997 hat Helmut Z. ein Leben ausgelöscht, das ganze Land erschüttert und seine eigene Existenz zerstört. Er gilt als Österreichs einziger jugendlicher Amokläufer, seitdem er mit dem Revolver seines Vaters in der Hauptschule Zöbern eine Lehrerin erschoss und eine zweite schwer verwundete. Wann immer sich irgendwo auf der Welt an einer Schule ein Amoklauf ereignet, sind Helmut Z. und Zöbern wieder im Gespräch. 14 Jahre nach der Tat spricht Österreichs Amokschütze nun erstmals ausführlich über die Tat, sein Leben danach und seine Zukunftspläne. Der heute 29-Jährige lebt seit fünf Jahren wieder in dem niederösterreichischen 1.500-Einwohner-Ort, in dem der „Bledsinn“, wie er seine Tat nennt, passiert ist. In Zöbern, wo ihn alle kennen, will er sich lieber nicht zum Gespräch treffen. Stattdessen sitzt der schlanke 1,90-Meter-Mann an einem der ersten schönen Frühlingstage neben seinem acht Jahre jüngeren Bruder Kurt draußen vor der Bar „Skyline“ im sieben Kilometer entfernten Aspang. Hier arbeitet er auch seit kurzem bei der Müllabfuhr. „Ein krisensicherer Job“, sagt er in breitem niederösterreichischem Dialekt und wippt mit dem Fuß, so wie immer, wenn er spricht. Er räumt in 22 Gemeinden der Umgebung den Mist weg, auch in Zöbern. Nur den Müll der Hauptschule greift er nicht an, das übernimmt sein Kollege. Seit dem Lokalaugenschein, bei dem er die Tat für die Polizei rekonstruieren musste, war er nicht mehr in der Schule.

Er versucht, so wenig wie möglich an seine Tat zu denken. „Mit der Zeit stumpft man ab, stürzt sich in was anderes rein. Aber manchmal schießt es einem schon wieder ein. Ich fahr’ die Straße entlang und denk’ mir plötzlich, da haben sie mich damals verhaftet.“ Wenn Helmut Z. von seinem Amoklauf erzählt, den er als „Kurzschlusshandlung“ bezeichnet, blickt er durch seine rechteckige Brille auf den Boden. In die Augen sieht er einem selten. Oft bleibt seine Erzählung distanziert und an der Oberfläche, verliert sich in kleinen Details und Anekdoten. Er hat ein unglaubliches Gedächtnis, wenn es um Daten und Namen geht, weiß den Wochentag seiner Entlassung genauso wie die Namen fast aller Beamten und Therapeuten, mit denen er zu tun hatte. Doch vor allem versucht er, keine Emotionen zu zeigen, auch wenn seine Augen manchmal glasig werden. Emotionen würden immer als Schwäche ausgelegt und seien demnach „schwul“, befindet er und dämpft eine Zigarette aus. „Weil dann frotzeln sie dich, und wenn du ihnen deshalb eine reibst, hast du wieder nur Probleme.“ Dass er „unfähig zur Empathie“ sei, wie der Gerichtspsychiater Max Friedrich ihm in einem Gutachten während des Prozesses bescheinigte, hält er für Unsinn.

„Im Großen und Ganzen“ habe er mit seiner Vergangenheit abgeschlossen, sagt Helmut Z.: „Früher ist früher, und jetzt ist jetzt.“ Helmut Z. mag jetzt ein anderer Mensch sein, doch er lebt wieder in seiner alten Heimat; und das schafft Probleme. In Zöbern will heute vom Bürgermeister abwärts niemand über den Amoklauf und das Zusammenleben mit Helmut Z. reden. Der Wirt nicht, die ehemaligen Klassenkollegen nicht und die verwundete Lehrerin auch nicht.

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Zöbern, vierzig Kilometer südlich von Wr. Neustadt, die letzte Ausfahrt an der A2 vor der steirischen Grenze, ist ein kleines Dorf mit einem Pub, einem Supermarkt und einem Fußballplatz. Den Ortskern bilden die Hauptschule, das Gemeindeamt und ein Frisiersalon, den eine ehemalige Klassenkollegin von Helmut Z. betreibt. Hier weiß jeder alles über jeden. Und natürlich spürt auch Helmut Z. die Blicke im Rücken und hört das Tuscheln, seit er 2006 hierher zurückgekehrt ist. „Das muss dir wurscht sein. Das Haus meiner Eltern ist hier, und ich werde es übernehmen“, sagt er. Helmut Z. versucht, sich ins Dorfleben zu integrieren, einmal im Jahr steht er am Teichfest hinter dem Herd und paniert Schnitzel. Er wirkt unscheinbar: kurze, braune Haare, glattrasiert, wenn man etwas Besonderes an ihm festmachen wollte, wäre es wahrscheinlich die schwarze Digitaluhr am Handgelenk, die ihn ein wenig altmodisch wirken lässt. Alles an ihm sagt, dass er nicht auffallen will.

Wenn er das Pub betritt, wird er freundlich gegrüßt, doch sein Bier trinkt er meistens allein. „Letztes Jahr hat einmal einer gesagt: ‚Was macht der scheiß Mörder hier?‘ Der war besoffen, da lass’ ich mich auf keine Streiterei ein.“ Doch warum ist er überhaupt zurückgekehrt an den Ort seiner Tat, wo er einen Menschen erschossen und so viel Leid angerichtet hat? „Wegen der Familie“, sagt er. „Die Familie ist mir ziemlich wichtig.“

Die Familie war es auch, die den 15-jährigen Helmut buchstäblich durchdrehen ließ. Seine kranke Mutter kämpfte mit dem Tod, war ständig im Spital. „Es hat damals sehr kritisch ausgeschaut“, sagt er. Der Vater arbeitete von früh bis spät als Gießer, für seine fünf Kinder hatte er keine Zeit. Der älteste Sohn Helmut fühlte sich für seine jüngeren Geschwister verantwortlich. „Er hat alles für uns gemacht, mit mir ist er immer zum Fußballtraining gefahren, mit der Kleinen hat er gespielt“, sagt sein Bruder Kurt Z., der damals sieben Jahre alt war. Anzumerken war ihm der Druck nicht, doch in dem jungen Helmut brodelte es. „Ich hab’ früher immer den Fehler gemacht, alles in mich hineinzufressen“, erzählt er.

So hat sich vieles aufgestaut, auch außerhalb der Familie. Kurz vor Abschluss der Schule hatte er noch immer keine Lehrstelle gefunden. „Ein Lehrplatz ist gleichzusetzen mit Geld, und Geld ist Unabhängigkeit“, sagt Helmut. Das Zeugnis, das ihn erwartete, hätte die Suche nicht erleichtert. Die Schule war insgesamt nicht das seine; von einem Lehrer fühlte er sich schikaniert, Raufereien mit Schulkollegen waren an der Tagesordnung. Und dann war da noch C., die Klassenkameradin, die er so toll fand. Doch sie beachtete ihn nicht, wollte nichts mit ihm zu tun haben. Als am 5. Mai „der Schalter gekippt ist“, wie Helmut Z. sagt, war sie der Auslöser.

Mit fünf anderen Mädchen hatte sie am Nachmittag Handarbeiten, der Rest der Klasse war zwei Stockwerke tiefer im Keller, beim Informatikunterricht. Nur Helmut Z. war nicht dort, er interessierte sich nicht für Informatik oder Handarbeiten. Aber für Waffen. Las Waffenmagazine, übte einmal mit einem Bekannten schießen. An jenem Montag nahm er den Revolver aus dem Waffenschrank des Vaters, den der gekauft hatte, um sich vor Einbrechern zu schützen, und machte sich auf zur Schule, „um der C. zu imponieren. Mit Waffen hab’ ich mich gut ausgekannt und hab’ mir gedacht, das ist ein Wissen, mit dem ich auftrumpfen kann.“ Warum er die Waffe nicht nur mitgenommen, sondern vorher geladen hat, warum er auch noch Munition eingepackt hat, das kann er nicht erklären. „Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass ich so was machen könnte, hätte ich ihn ausgelacht.“

Das Letzte, an das sich Helmut Z. erinnern kann, ist, dass er neben C. stand und fünfmal in die Decke schoss. Aus dem CD-Player, den die Lehrerin den Mädchen im Werkunterricht erlaubt hatte, tönte „Wenn wir einmal Engel sind“ von der deutschen Band Böhse Onkelz. Dass er kurz darauf der Handarbeitslehrerin Annemarie K., die ihm die Waffe wegnehmen wollte, zweimal in den Kopf schoss und auf dem Weg aus der Schule noch seiner Klassenvorständin Gertrude W. ins Bein, das alles weiß er nicht mehr. Nur daran, dass er dazwischen einmal nachgeladen hat, erinnert er sich. Was er angerichtet hatte, hörte er erst später am Polizeiposten über das Radio, als er gerade auf die Vernehmung wartete. „Ich dachte mir: ‚Du Trottel, das warst du.‘“

Der „Trottel“ wurde in das Gefangenenhaus Wr. Neustadt überstellt, saß 22 Stunden pro Tag in der Zelle, hatte Zeit zum Nachdenken, fand nur mit Tabletten Schlaf. „Am Anfang war’s ein Schaß. Die Ungewissheit: Was ist jetzt? Was kommt alles? Wie geht’s weiter? Und die Schuldgefühle auch. Ich hab’ ja mit der K. nie Probleme gehabt. Ein Beamter hat einmal zu mir gesagt: ‚Wenn du dich umbringen willst, mach es ruhig, aber mach keinen Dreck dabei.‘“

An Selbstmord hatte er immer wieder gedacht, aber „so abzuhauen ist feig“. Im Fernsehen sah Helmut Z. Berichte über seine Tat, ärgerte sich darüber, wie er im Fernsehen dargestellt wurde: „Wenn man mich nicht kennt, hat man geglaubt, ich wär der volle Freak, der Psycho und was weiß ich was.“ Ab Juni 1998 saß er schlussendlich in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf in Niederösterreich. Das Urteil: acht Jahre Haft wegen „Tötung mit bedingtem Vorsatz“, zwei Jahre weniger als die Höchststrafe bei Jugendlichen.

Im Jugendgefängnis fand er nach ersten harten Monaten langsam Anschluss. „Wir waren eine Viererpartie, lauter Langstrafige. Das war recht witzig. Wir haben zusammengehalten.“ Es ist jene Zeit, von der er am meisten erzählt. Er fischt einen Zettel aus der Brieftasche, auf dem er sich Stichworte zu seinen Erlebnissen im Gefängnis notiert hat: etwa wie sie aus dem Wachzimmer Alkohol gestohlen hatten oder seine Mithäftlinge einen Zellentürschlüssel nachmachten, den Kinderschänder in das Gärkammerl der Bäckerei einsperrten, aber auch, wie ihm drei Mithäftlinge ein brennendes Stück Cellophan von einer Zigarettenschachtel auf den Bauch warfen. Und vom Gefängnisehrenkodex: niemanden verpfeifen. Viele seiner ehemaligen Mithäftlinge sind kurz nach der Entlassung rückfällig geworden und wieder hinter Gittern gelandet. Helmut Z. nicht.

Dass er nach zwei Dritteln seiner Strafe – etwas mehr als fünf Jahren – entlassen wurde und nach der Haft nicht in ein tiefes Loch fiel, lag vor allem an Adolf R., einem wildfremden Gönner aus Tirol. Der Hotelier kannte Helmut Z. nur aus den Medien, er hatte Mitleid mit dem 15-Jährigen, den das ganze Land nur als Amokläufer kannte. „Das ist mir alles tierisch auf die Nerven gegangen, einen Jungen so in der Luft zu zerreißen“, sagt Adolf R., selbst Vater von sechs Kindern. Nach einem Briefwechsel mit Helmuts Eltern und ein paar Besuchen in Gerasdorf war für ihn klar, dass er den Buben nach der Entlassung in seinem Hotel aufnehmen wollte. Nachdem Helmut Z. im Gefängnis Maler gelernt hatte, absolvierte er 2002 nach seiner Entlassung in R.s Hotel im tirolerischen Achensee auch noch eine Lehre zum Koch.

Wer ihm zuhört, wie er über Tirol spricht, merkt schnell, wie prägend diese Zeit für ihn war. Er holte seine verlorene Jugend nach, hat an den Wochenenden „ordentlich Gas gegeben“. In Adolf R. fand der frisch Entlassene einen „Vertrauensmenschen“. Adolf R. half auch der Familie Z., besuchte sie in Zöbern. „Oft hieß es zu Weihnachten: ‚Ruf den Onkel Adolf an. Er hat dem Christkind Geld geschickt‘“, erinnert sich Kurt Z. Ohne ihn wäre vieles schwieriger gewesen.

Trotzdem: Warum Adolf R. ihm und seiner Familie geholfen hat, das hat ihn Helmut Z. in all den Jahren nicht gefragt. „Er kommt aus einfachsten Verhältnissen. Ich wollte einfach, dass er wieder ein normales Leben führen kann“, sagt Adolf R. „Und ich glaube, das haben wir hinbekommen.“ Die Tiroler Jahre waren die Zeit, in der Helmut Z. zurück zur Normalität fand. „Ich glaub’, da hab’ ich mich gut eingegliedert“, sagt er.

Als er 2006 zurück nach Zöbern ging, war sein Leben in geordneten Bahnen. „Ich hätte in Tirol bleiben können, aber hier ist die Heimat.“ Er lebt jetzt wieder im Haus seiner Eltern, will „ein normales Leben. Meine Hack’n machen, nach Hause kommen, vielleicht mal eine Familie gründen.“

An einem Punkt des Gesprächs sagt er über die Beziehung zu seinem Nachbarn Johann K., der ihm damals mit dem Auto nachfuhr, als er vom Tatort flüchtete: „Es läuft so weiter, wie es vorher war.“ Es ist ein simpler Satz, der viel bedeutet. Immer wieder lässt er durchscheinen, dass er sich das von allen seinen Mitmenschen wünschen würde. Dass es einfach weitergeht wie vorher, dass seine Tat vergessen ist. Kurz nach seiner Rückkehr ist Helmut Z. beim Einkaufen zufällig Gertrude W. begegnet, der er damals durch den Oberschenkel schoss. Zum ersten Mal, seit er wieder entlassen war. „Es war ein komisches Gefühl: Wie soll ich damit umgehen?“ Wie ging er damit um? „Ganz normal weiter. Was soll’s. Wenn sie mich anredet, rede ich mit ihr, wenn sie mir eine prackt, hätte ich auch nix gemacht. Seh’ ich ein, ist sicher gerechtfertigt.“ Sie fragt ihn, wie es ihm geht, mehr nicht. Bis heute führen sie manchmal Smalltalk.

Über die Tat haben sie sich noch nie unterhalten. Auch in seiner Familie findet bis heute niemand Worte. „Es hat eh jeder gewusst, was passiert ist, und nachreden bringt ja nichts“, sagt der Bruder Kurt Z. Der Vater – er wurde nach der Tat mit einem Waffenverbot belegt – fühlte sich schuldig, die Mutter war immer noch krank, die Geschwister gingen weiter in dieselbe Schule. Sie mussten damit fertigwerden, die Geschwister des Amokläufers zu sein. „Es war schlimm für mich. Man geht in der Hauptschule die Stiegen hoch und weiß, was da passiert ist“, sagt Kurt Z. Mit den Eltern konnte er darüber nicht sprechen, „die haben genug Scheiße am Hals, da will man nicht, dass sie sich noch mehr Sorgen machen. Mehr oder weniger ist man so eingestellt, dass man mit der ganzen Scheiße selbst klarkommen muss.“ In Therapie war abseits von Helmut Z. niemand in der Familie; auch er selbst sagt, es komme ihm „nicht so vor, als ob die Therapie einen Sinn gehabt hätte“.

Über Gefühle spricht er nicht, mit seinen Therapeuten nicht und mit seiner Familie nicht. Manchmal wirkt es so, als würde Helmut Z. sich über technische Details des Tathergangs mehr Gedanken machen als über die existenziellen Fragen hinter seiner Tat, etwa wenn er mit seinem Bruder in einem makaberen Gespräch den Tathergang zu rekonstruieren versucht. „Ich hab’ die Waffe angeblich am Stiegengeländer aufgelegt und runtergeschossen“, sagt er und tippt mit den Fingern auf die Grundrisse seiner ehemaligen Hauptschule, die er auf einem Schreibblock skizziert hat.

Er versucht zu erklären, dass er seiner Klassenvorständin sicher nicht absichtlich ins Bein geschossen hat: „Bei dem Rückstoß aus zwanzig Meter Entfernung hätte ich das nicht können“, sagt er, sein Bruder Kurt widerspricht: „Red keinen Scheiß, Rückstoß hast du ja erst, wenn die Kugel fliegt. Ich hab’ das ja auch alles gelernt beim Bundesheer.“ Helmut Z. antwortet: „Du musst rechnen, dass ich da nicht mehr so ruhig war. Ich habe etliche Male runtergeschossen. Die Kugel, die sie getroffen hat, war ein Querschläger. Die ist am Bein ausgetreten, am Boden auf und hat im Musikraum das Klavier getroffen.“ Den Eindruck, dass er die Tat aufgearbeitet hätte, hat man bei Helmut Z. oft nicht.

Keine 200 Meter von der „Skyline“-Bar entfernt, am kleinen Aspanger Friedhof unterhalb der Kirche, ruht Annemarie K. Am 14. Mai 1997 nahmen hier Angehörige und Repräsentanten des Landes Niederösterreich von Landeshauptmann Erwin Pröll abwärts Abschied. Den Grabstein ziert eine bronzene Rose, am Grab sprießen gerade die ersten Frühlingsblumen. Es ist eines jener Gräber, denen man ansieht, dass die Verstorbene nicht vergessen wurde. Helmut Z. hat es nie mit eigenen Augen gesehen, er hat das Grab nicht besucht. „Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber das käme mir falsch vor: Du hast das zu verantworten, und dann gehst du auch noch hin zum Grab.“

Auch wenn er versucht, die Tat zu vergessen und zu ignorieren, so weiterzumachen wie vorher: Solange er in Zöbern bleibt, wird Helmut Z. mit seiner Vergangenheit umgehen lernen müssen. Damit, dass er immer wieder an die Tat erinnert wird, dass alle über ihn Bescheid wissen. Würde er seinen Kindern, die er in Zöbern großziehen will, vom „Bledsinn“ erzählen, den er hier angerichtet hat? Helmut Z. macht eine lange Pause und spielt nervös mit seiner Zigarette: „Sagen würd’ ich es ihnen schon. Besser, sie wissen es vom eigenen Vater.“

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