Das pralle Leben
Online exklusiv: Der britische Fotograf Martin Parr und der litauische Fotograf Rimaldas Viksraitis zeigen in einer gemeinsamen Ausstellung, The Real World, in der Galerie Anzenberger in Wien starke Bilder vom Alltag der Menschen.
Text: Jacqueline Godany
Fotografie: Martin Parr/magnumphotos, Rimaldas Viksraitis/AnzenbergerGallery,
Jacqueline Godany
Eine Reihe leerer Wodka- und Weinflaschen auf einem Feldweg als Strasse ins Nichts, am Ende ein nackter Mann, gebeugt geht er davon, sein runzliger Hintern steht etwas schief, seine Fuß- und Handstellung stimmt nicht ganz, lässt auf körperliche Versehrtheit schließen. Bilder wie Szenen aus einem Fellini-Film. Doch dieses Schwarzweiss-Bild ist ein Selbstportrait des litauischen Fotografen Rimaldas Viksraitis. Grimaces of the Weary Village nennt er seine Arbeit mit Bildern aus gut 30 Jahren, die das karge, versoffene und doch skurril lebendige Leben im litauischen Dorf zeigen.

Der 1954 geborene Fotograf hatte als Kind Tuberkulose, seine dadurch eingeschränkte Bewegungsfähigkeit hinderte ihn jedoch nicht daran, seit 1971 durch die Dörfer zu radeln und seine Freunde und Nachbarn zu fotografieren. Seine oft verstörenden Fotos sind gespickt mit Ironie und Traurigkeit. Teils klassische Sozialreportage, teils dirigierte Geschichten.
In Viksraitis Bildern geht es auf den ersten Blick um Alkohol, nochmals Alkohol und das bisschen Sex, das man mit soviel Alkohol noch haben kann. Mehr ist den Leuten in den litauischen Dörfern nach dem Zerfall der Sowjetunion auch nicht geblieben.
Der Zusammenbruch der bäuerlichen Infrastruktur brachte den Verlust der Arbeit mit sich. Geblieben ist nur der Alkohol und die Armut. Manche haben nicht einmal Schnapsgläser bei der Hand, man kann auf einem Bild sehen, wie jemand Schnaps in die schwarzen Plastikdosen gießt, in denen normalerweise Kleinbild-Filme verpackt sind. Viele Motive wirken ganz stark durch ihre Intimität, die nur dadurch entstehen kann, dass Viksraitis einer von ihnen ist.

Dass diese Arbeit auch außerhalb Litauens ihre entsprechende Würdigung fand, ist dem renommierten, britischen Fotografen Martin Parr zu verdanken. Viksraitis gewann 2009 den Discovery Award beim Photo Festival in Arles, nachdem er von Parr dafür nominiert wurde.
1985 gelang Martin Parr der internationale Durchbruch mit seiner Serie „The Last Resort“, einer Dokumentation über den britischen Badeort New Brighton, in dem die Arbeiterklasse zu Zeiten Margaret Thatchers den kleinen Freuden eines Badeurlaubes daheim frönte.
Parr ist das fotografische Pendant zur gesellschaftskritischen Bissigkeit Monty Pythons. In knallbunten, aufgeblitzten Farben hält er einem den Spiegel unserer skurrilen Welt vor. Was auf den ersten Blick absurd und lustig erscheint, ist oft traurige Realität.
Martin Parr ist seit 1994 Vollmitglied der Fotoagentur Magnum. Er hat unzählige Bücher publiziert, er kuratiert Ausstellungen und Photofestivals und hat selbst immer wieder Ausstellungen. Seinen Ruf nützt er jetzt, um anderen zu Öffentlichkeit zu verhelfen. Er ist ein begnadeter Talentescout und er möchte, dass besondere Arbeiten gesehen werden, die aufgrund ungünstiger Umstände sonst keine Chance haben. So wie die von Viksraitis.

Daher hat man in Wien jetzt erstmals die Chance, einige von Martin Parrs Bildern aus The Last Resort in einer Verkaufs-Ausstellung zu sehen. Gemeinsam mit der Arbeit von Rimaldas Viksraitis. Zu verdanken ist das der Galeristin Regina Anzenberger, die Parr beim Fotofestival in Arles einfach fragte, ob er nicht Lust hätte nach Wien zu kommen. Er hatte Lust und war auch bei der Eröffnung anwesend.
Was das über die Wertigkeit der Fotografie in Österreich aussagt, dass jemand wie Parr noch nie in Wien zu sehen war, mag jeder selbst beurteilen. Will man es positiv sehen, dann geht es bergauf mit Wien, der Weltstadt ohne Fotomuseum. Es ensteht gerade ein Biotop aus privaten Galerien und jungen Fotografen, in dem hoffentlich eine frische Fotokultur abseits vom akademischen Mief reifen kann, die hierzulande noch lange nicht so entwickelt ist, wie in Frankreich oder den Vereinigten Staaten, wo das Sammeln von Fotoprints und Fotobüchern zu teils üppigen Preisen schon lange Tradition hat.

Falls Sie zu den wenigen Sammlern gehören, nutzen Sie die Gelegenheit,Prints oder ein Fotobuch zu erwerben. In der Galerie Anzenberger gibt es auch eine kleine, feine Bücherecke mit teils vergriffenen oder seltenen Stücken. Martin Parr hat darin gestöbert.
Die Bilder dieser beiden Fotografen harmonieren wunderbar miteinander in einer Ausstellung. Wenn sie auch an zwei grundverschiedenen Orten entstanden sind, erzählen sie doch eigentlich dieselbe Geschichte. Die Geschichte vom prallen Leben, das sich der Mensch auch unter beschissenen Verhältnissen nicht nehmen lassen will.

Zur Ausstellung erscheint ein Buch mit dem Titel „THE REAL WORLD“ in der Auflage on nur 700 Exemplaren. Preis Euro 40,-.
Galerie Anzenberger
Zeinlhofergasse 7, 1050 Vienna
Ausstellung Martin Parr & Rimaldas Viksraitis »The Real World«
25. März – 31. Mai 2011
geöffnet Montag – Freitag, 10h – 18h
http://www.anzenbergergallery.com

Der 1954 geborene Fotograf hatte als Kind Tuberkulose, seine dadurch eingeschränkte Bewegungsfähigkeit hinderte ihn jedoch nicht daran, seit 1971 durch die Dörfer zu radeln und seine Freunde und Nachbarn zu fotografieren. Seine oft verstörenden Fotos sind gespickt mit Ironie und Traurigkeit. Teils klassische Sozialreportage, teils dirigierte Geschichten.
In Viksraitis Bildern geht es auf den ersten Blick um Alkohol, nochmals Alkohol und das bisschen Sex, das man mit soviel Alkohol noch haben kann. Mehr ist den Leuten in den litauischen Dörfern nach dem Zerfall der Sowjetunion auch nicht geblieben.
Der Zusammenbruch der bäuerlichen Infrastruktur brachte den Verlust der Arbeit mit sich. Geblieben ist nur der Alkohol und die Armut. Manche haben nicht einmal Schnapsgläser bei der Hand, man kann auf einem Bild sehen, wie jemand Schnaps in die schwarzen Plastikdosen gießt, in denen normalerweise Kleinbild-Filme verpackt sind. Viele Motive wirken ganz stark durch ihre Intimität, die nur dadurch entstehen kann, dass Viksraitis einer von ihnen ist.

Dass diese Arbeit auch außerhalb Litauens ihre entsprechende Würdigung fand, ist dem renommierten, britischen Fotografen Martin Parr zu verdanken. Viksraitis gewann 2009 den Discovery Award beim Photo Festival in Arles, nachdem er von Parr dafür nominiert wurde.
1985 gelang Martin Parr der internationale Durchbruch mit seiner Serie „The Last Resort“, einer Dokumentation über den britischen Badeort New Brighton, in dem die Arbeiterklasse zu Zeiten Margaret Thatchers den kleinen Freuden eines Badeurlaubes daheim frönte.
Parr ist das fotografische Pendant zur gesellschaftskritischen Bissigkeit Monty Pythons. In knallbunten, aufgeblitzten Farben hält er einem den Spiegel unserer skurrilen Welt vor. Was auf den ersten Blick absurd und lustig erscheint, ist oft traurige Realität.
Martin Parr ist seit 1994 Vollmitglied der Fotoagentur Magnum. Er hat unzählige Bücher publiziert, er kuratiert Ausstellungen und Photofestivals und hat selbst immer wieder Ausstellungen. Seinen Ruf nützt er jetzt, um anderen zu Öffentlichkeit zu verhelfen. Er ist ein begnadeter Talentescout und er möchte, dass besondere Arbeiten gesehen werden, die aufgrund ungünstiger Umstände sonst keine Chance haben. So wie die von Viksraitis.

Daher hat man in Wien jetzt erstmals die Chance, einige von Martin Parrs Bildern aus The Last Resort in einer Verkaufs-Ausstellung zu sehen. Gemeinsam mit der Arbeit von Rimaldas Viksraitis. Zu verdanken ist das der Galeristin Regina Anzenberger, die Parr beim Fotofestival in Arles einfach fragte, ob er nicht Lust hätte nach Wien zu kommen. Er hatte Lust und war auch bei der Eröffnung anwesend.
Was das über die Wertigkeit der Fotografie in Österreich aussagt, dass jemand wie Parr noch nie in Wien zu sehen war, mag jeder selbst beurteilen. Will man es positiv sehen, dann geht es bergauf mit Wien, der Weltstadt ohne Fotomuseum. Es ensteht gerade ein Biotop aus privaten Galerien und jungen Fotografen, in dem hoffentlich eine frische Fotokultur abseits vom akademischen Mief reifen kann, die hierzulande noch lange nicht so entwickelt ist, wie in Frankreich oder den Vereinigten Staaten, wo das Sammeln von Fotoprints und Fotobüchern zu teils üppigen Preisen schon lange Tradition hat.

Falls Sie zu den wenigen Sammlern gehören, nutzen Sie die Gelegenheit,Prints oder ein Fotobuch zu erwerben. In der Galerie Anzenberger gibt es auch eine kleine, feine Bücherecke mit teils vergriffenen oder seltenen Stücken. Martin Parr hat darin gestöbert.
Die Bilder dieser beiden Fotografen harmonieren wunderbar miteinander in einer Ausstellung. Wenn sie auch an zwei grundverschiedenen Orten entstanden sind, erzählen sie doch eigentlich dieselbe Geschichte. Die Geschichte vom prallen Leben, das sich der Mensch auch unter beschissenen Verhältnissen nicht nehmen lassen will.

Zur Ausstellung erscheint ein Buch mit dem Titel „THE REAL WORLD“ in der Auflage on nur 700 Exemplaren. Preis Euro 40,-.
Galerie Anzenberger
Zeinlhofergasse 7, 1050 Vienna
Ausstellung Martin Parr & Rimaldas Viksraitis »The Real World«
25. März – 31. Mai 2011
geöffnet Montag – Freitag, 10h – 18h
http://www.anzenbergergallery.com
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